Das Pass-Form-Modell in der Pesso-Therapie
Leonhard Schrenker und Barbara Fischer-Bartelmann
Eine der theoretischen Grundlagen der Pesso-Therapie (PBSP) ist die
Annahme, dass jedes Bedürfnis eines Lebewesens sich in diesem in Form
einer "Energie" äußert, die darauf drängt, sich in einer Aktion zu
zeigen. Hat diese Aktion Erfolg, d.h. führt sie zu einer
befriedigenden Interaktion, so klingt die Energie wieder ab und die
Erinnerung an die Interaktion zusammen mit deren Bedeutung kann
verinnerlicht werden. Die am Beginn dieser Sequenz stehende Energie
drückt sich unwillkürlich im Körper aus in Form von physiologischen
und - möglicherweise sekundär unterdrückten - motorischen Komponenten
(beim Säugling z.B. bei Hunger, durch körperliche Unruhe, Suchen nach
der Brustwarze, durch Weinen usw.). Sie hat Ausdrucks- und
Empfindungsqualitäten für den Betroffenen, die teils bewusst, teils
unbewusst sind und beinhaltet ein sicheres Gespür für die gesuchte
"passende Interaktion". All diese Komponenten gehören vermutlich zu
unserer allgemein menschlichen genetischen Grundausstattung, also zu
unserem überindividuellen "Art-Gedächtnis". Diese aus der
therapeutischen Erfahrung stammenden Annahmen stimmen übrigens
hervorragend mit den allerneuesten hirnphysiologischen Erkenntnissen
der Emotionspsychologie überein.
Als ebenso genetisch verankert betrachtet Pesso das Streben nach der
Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse wie das nach Platz,
Nahrung, Schutz, Unterstützung und Begrenzung. Weiter strebt jeder
Mensch nach Integration der in ihm angelegten Polaritäten:
mütterliches/väterliches Erbgut, rechts-/linkshemisphärische
Funktionen, Wahrnehmung/Bewegung, Aufnehmen/Abgeben,
Kraft/Verletzlichkeit, Animus/Anima. Weitere Entwicklungsaufgaben sind
die Vervollkommnung von Bewusstheit, Selbstbestimmung und der
individuellen Einzigartigkeit. Insbesondere in der frühen Entwicklung
ist es von weitreichender Bedeutung, wie weit die primären
Bezugspersonen auf die oben dargestellten Bedürfnisse des Säuglings
bzw. Kleinkindes passend reagieren. Passend heißt: Die Bedürfnisse und
Gefühle, die dem Selbst des Kindes entspringen, werden von ihnen
richtig erkannt, benannt, in ihrer Existenzberechtigung gewürdigt und
in positiver Weise beantwortet (befriedigt). Das Kind kann so die
Grunderfahrung machen: „Ja, diese Bedürfnisse und Gefühle gehören zu
mir, sie haben einen Namen, sie dürfen sein, ich brauche mich weder
davor zu fürchten noch sie zu unterdrücken. Ich bin nicht unersättlich
und meine Eltern fühlen sich nicht durch mich überfordert.“ Das heißt,
die Bedürfnisse haben eine endliche (d.h. nicht grenzenlose) Dimension
und sind prinzipiell befriedigbar.
Dies soll an einem konkreten Beispiel verdeutlicht werden: Das
Bedürfnis des Säuglings nach Häufigkeit und Menge der Nahrungsaufnahme
ist durch seine genetische Ausstattung natürlicherweise geregelt und
sichert in optimaler Weise seine körperliche und psychische
Entwicklung. Voraussetzung hierfür ist, dass die Mutter diese „Form“
richtig erkennt und darauf eine angemessene „Passform“ bietet. Sie
erkennt, wann der Säugling vor Hunger weint, lässt ihn nicht allzu
lange warten und bietet ihm Nahrung passender Zusammensetzung,
Temperatur und Menge. Sie gibt ihm ausreichend Zeit zu saugen und
schafft hierfür eine ruhige und wohlwollende Atmosphäre. Die Mutter
stellt damit all die Rahmenbedingungen (in zeitlicher, räumlicher,
ernährungsphysiologischer usw. Dimension) zur Verfügung, die für die
spezifischen Bedürfnisse des Säuglings passend sind. Gleichzeitig
macht der Säugling damit die Grunderfahrung, von der Erregung seines
Hungers nie überwältigt zu werden, dass diese regelmäßig zum
Wohlgefühl der Sättigung in einem angenehmen Kontakt mit der Mutter
führt.
So wünschenswert eine sofortige und vollständige Befriedigung der
Bedürfnisse ist (besonders beim Säugling), so ist sie doch nicht immer
und durchgehend nötig oder wesentlich. Mit zunehmendem Alter ist es
sogar notwendig, dass das Kleinkind auch einen zeitlichen Aufschub der
Befriedigung erlernt und damit adäquate Frustrationstoleranz
aufbaut. Dies bedeutet aber keine Negation der Existenz oder der
Berechtigung dieser Bedürfnisse bzw. Gefühle, im Gegenteil: Sie können
weiterhin auch verbal in annehmender Weise benannt werden (positive
Validierung) und der Bedürfnisaufschub sollte in kindgerechter Weise
nachvollziehbar erklärt werden, was der Entwicklung und
Differenzierung der Selbststeuerung zugute kommt. Selbstverständlich
setzt dies eine angemessene Alterstufe des Kindes voraus, damit es
weder emotional noch kognitiv überfordert wird. Ähnliches gilt für das
Erlernen einer adäquaten Form der Äußerung beispielsweise von
Aggression. Indem Eltern ihren Kindern einen adäquaten
Bedürfnisaufschub beibringen, sowie einen guten Umgang mit Aggression,
befriedigen sie gleichzeitig das Bedürfnis nach guter Begrenzung.
Diese grundsätzliche Bejahung und Befriedigung in der Interaktion,
also von außen (zunächst im wörtlichen, dann im symbolischen Sinne)
ist also die Grundlage dafür, dass alle diese Anteile ins Ich
integriert werden können, und dass das Kind am Modell der primären
Bezugspersonen lernt, sie selbst zu bejahen und in guter Weise
auszuleben. Unter diesen Voraussetzungen wird es in seinem späteren
Leben weder der Befriedigung unerfüllter kindlicher Bedürfnisse in
dafür unpassenden erwachsenen Beziehungen hinterher jagen, noch aus
einer früheren Resignation spätere Chancen für ein erfülltes und
befriedigendes Leben gar nicht wahrnehmen.
Die frühen Interaktionen einer "guten" (passenden)
Bedürfnisbefriedigung werden als interaktive Erfahrungsbilder lösender
Qualität in unserem individuellen Gedächtnis gespeichert. Sie
beinhalten eine energetische, körperlich/motorische, emotionale wie
auch interaktive Qualität und führen dazu, dass auf allen diesen
Ebenen das Selbst weitgehend deckungsgleich ist mit dem Ich. Dabei
werden alle inneren Teile (z.B. die Polaritäten) integriert,
potentiell bewusstseinsfähig und als steuerbar erlebt (einschließlich
der Fähigkeit zur willentlichen Verdrängung oder Abspaltung als
Überlegensstrategie in extrem traumatischen Situationen). Zudem bilden
sie innere Erfahrungsbilder von befriedigender Interaktion, die es
später ermöglichen, sich in angemessener Form zu äußern und
bedürfnisadäquate Interaktionen sowohl zu antizipieren als auch
herzustellen.
Dieser idealtypische Fall wird in der folgenden Grafik dargestellt und
erläutert:
Die linke Hälfte der Darstellung symbolisiert das »Selbst« z.B. des
Säuglings; die Ausbuchtungen am rechten Rand jeweils ein bestimmtes
Bedürfnis, dessen interaktive Energie durch die dahinter liegenden
grünen Pfeile symbolisiert wird.
Der grüne Bogen um die Ausbuchtung symbolisiert die
motorisch-emotionale Ausdrucksform des jeweiligen Bedürfnisses.
Die rechte Hälfte des Bildes symbolisiert das ideale Gegenüber, die
Einbuchtungen am linken Rand die passende Interaktionsform für die
jeweiligen Bedürfnisse.
Die grünen Bögen in den Einbuchtungen symbolisieren die
emotional/körperlich/motorische Ausdrucksform, die als Antwort zum
jeweiligen Bedürfnis des Säuglings passt.
Die grünen Pluszeichen symbolisieren das Abklingen der Energie durch
die Bedürfnisbefriedigung und die blauen Punkte im Zwischenraum die
Speicherung dieser Erfahrungen im individuellen Gedächtnis des
Säuglings, die sich allmählich zum bewussten und im sozialen Kontakt
zugelassenen »Ich« ausformen.
Diese frühen Interaktionsmuster haben grundlegende Bedeutung für die
gesamte Organisation unserer späteren Persönlichkeitsstruktur. Sie
prägen folgende Bereiche:
- Die Sicherheit und Sensibilität der Empfindungs- wie auch
Wahrnehmungsfähigkeit, deren Bewusstheit, Differenziertheit und
Einbettung in die Gesamtpersönlichkeit.
- Das Vertrauen in die Selbststeuerung der organismischen
Regulationsfähigkeiten wie auch unserer Körperreaktionen, die in die
Selbstwahrnehmung und Selbstbejahung einbezogen sind.
- Die Grundüberzeugung der Geborgenheit des Seins in dieser Welt
(Urvertrauen).
- Das Vertrauen zur Geborgenheit und Sicherheit in
Beziehungen.
- Die Grundüberzeugung, sowohl die Interaktion mit anderen Menschen
wie auch unsere Umgebung im Sinne unserer Bedürfnisse in guter Weise
steuern zu können.
- Die Sicherheit, die eigenen Bedürfnisse selbst erfüllen, begrenzen und
auch aufschieben zu können, weil ausreichend erlebt wurde, dass sie
adäquat befriedigt werden.
- Die Fähigkeit, die entsprechenden Emotionen und Bedürfnisse auch
in anderen Menschen (Partner, Kinder) richtig zu erkennen und
angemessen darauf zu reagieren.
- Die positive Qualität und Stabilität unseres Selbstwertgefühls,
das nicht auf die Ausblendung wesentlicher Teile unserer Empfindungen
oder Bedürfnisse angewiesen ist.
Die frühen Interaktionsmuster der meisten Menschen sind jedoch nicht
überwiegend durch solche Erfahrungen geprägt, sondern durch mehr oder
minder neurotische Mischformen von passenden und nicht passenden
Interaktionen, die in der nächsten Grafik symbolisiert werden:
Im oberen Drittel des Bildes findet sich ein Teil passender
Interaktionen: der Säugling bekommt die Brust, wenn er Hunger hat,
wird gewickelt, wenn er nass ist usw.
Im mittleren Drittel zeigt sich rechts eine senkrechte Linie, die nach
außen rot unterlegt ist: Dies kann bedeuten, dass die Mutter
körperlich oder seelisch (unansprechbar, da stark depressiv oder mit
sich selbst beschäftigt) nicht verfügbar und der Säugling mit seinen
Bedürfnissen ungesehen und/oder unbefriedigt bleibt. Die Folgen
solcher Interaktionserfahrungen sind beim Säugling nach heftiger
Erregung resignativ-depressiver Natur: Rückzug von der Außenwelt und
eine eher resignative Grundüberzeugung von Hilflosigkeit bzw. eigener
Unfähigkeit.
Die eindringende große Spitze im unteren Drittel symbolisiert
inadäquate Interaktionsmuster, die zur momentanen Bedürfnisstruktur
des Säuglings konträr sind. Er wird z.B. gefüttert, obwohl er aus
anderen Gründen weint, wird herumgetragen, obwohl er Ruhe und Schlaf
braucht, wird stimuliert oder gar geschlagen statt beruhigt.
Die Folgen solcher grenzüberschreitenden Muster sind heftige innere
Erregungszustände, die mit Aggression, Angst und Panik einhergehen.
Wenn Säuglinge und Kleinkinder mit der Äußerung ihrer Bedürfnisse
nicht wahrgenommen werden - sie finden damit kein Gehör und ihr Rufen
oder Schreien verhallt quasi wie im leeren Raum - kommt es anfangs zu
erheblicher Erregung, die stark aversiven Charakter hat. Wenn die
Begegnung mit nicht verfügbaren Objekten in der weiteren Entwicklung
dominiert, tritt aber mit der Zeit eine Vermeidung dieser aversiven
Erfahrung ein um den Preis der "Löschung" ihrer
Bedürfnisäußerungen. Sie machen innerlich die Erfahrung "es hat keinen
Sinn mich zu äußern", was mit starken resignativen Folgen verbunden
ist. Ihre Ausdrucksenergie lässt nach, sie richtet sich nicht mehr auf
das ursprüngliche und passende Objekt, sondern weicht auf
Ersatzobjekte und Kompromissbildungen aus, bis hin zur scheinbaren
vollständigen Unabhängigkeit einer nur sich selbst trauenden "splendid
isolation". Innerlich bilden sich gegenüber der Außenwelt Misstrauen
und Misserfolgserwartungen aus, allerdings ambivalent gemischt mit der
(oft unbewussten) Suche nach Ersatzobjekten, von denen im
Übertragungsgeschehen doch noch endlich die Befriedigung der noch
immer latenten Bedürfnisse ersehnt wird. Sie entwickeln bereits als
Kleinkinder ein negatives Selbstwertgefühl ("ich bin nicht
liebenswert") und im späteren Leben tendenziell resignativ-depressive
Reaktionsmuster und durch Erwartungen und indirekte Ausdrucksweisen
überforderte Beziehungen.
Wenn es überwiegend zu bedürfnisinadäquaten oder gar
grenzüberschreitenden Interaktionsmustern kommt (sie bekommen häufig
etwas völlig anderes als das, was sie brauchen; sie werden für den
Ausdruck ihrer Bedürfnisse entwertet oder auch körperlich bestraft),
sehen die Folgen etwas anders aus: Ein Säugling, der weint, weil er
Schmerzen hat und sich nach ruhigem Kontakt und Wärme sehnt und
stattdessen körperlich stimuliert und herumgetragen wird (oder die
Flasche bekommt, weil die Mutter glaubt er hat Hunger), gerät in
heftigste innere Erregungszustände, die erst abklingen, wenn er vor
Erschöpfung nicht mehr kann. Er erlebt dabei Reaktionsmuster von
außen, die die Grenzen seines Seins wie auch seines Körpers in
inadäquater Weise überschreiten bzw. in ihn eindringen (durch die
äußere Stimulation, die nicht passend ist) und in ihm überflutende
innere Erregungsmuster auslösen. Diese sind begleitet von heftigen
körperlich-physiologischen Spannungszuständen (den Vorläufern späterer
aggressiver Energien), die sich mit zunehmender Entwicklung mit
Gefühlen von Angst, Panik, Aggression und den begleitenden
Körperreaktionen paaren. Diese Reaktionsmuster bilden sich natürlich
umso schlimmer aus, je mehr die Interaktionsmuster der primären
Bezugspersonen auch in der weiteren Entwicklung mit Rigidität, Zwang,
erheblicher Entwertung bzw. Strafen einhergehen.
Im interaktionellen Kontakt wird er zunehmend Ängste und Misstrauen
entwickeln, die damit verbundenen Ablehnungsgefühle prägen sein
Selbstwertgefühl in negativer Weise, Aggression wird oft aus der damit
verbundenen Panik heraus unterdrückt. Im späteren Leben kann sie
bevorzugtes Abwehrmuster in nahen Kontakten werden. Das Vertrauen in
das Beziehungsgeschehen ist meist sehr stark gestört und wird
erheblich mitbestimmt durch die Projektionen - teils bewusst, teils
unbewusst - der internalisierten Objektbeziehungen (die aufgrund
früherer negativer Erfahrungen entstehen) auf das spätere Gegenüber im
erwachsenen Dasein.
Die Auswirkungen dieser Muster für die spätere Persönlichkeitsstruktur
und -Organisation variieren natürlich in Abhängigkeit vom Alter, in
dem sie interaktionell erfahren werden. Grundlegend lässt sich sagen,
dass sie umso schädlicher sind, je frührer das Kind ihnen ausgeliefert
ist und je länger sie dauern. Insbesondere in der Säuglingszeit ist
die Vulnerabilität des Menschen am größten, da in diesem
Entwicklungsabschnitt die Grundlagen für die spätere Persönlichkeit in
körperlich-physiologischer, emotionaler wie auch geistiger Weise
ausdifferenziert und strukturiert werden.
In dieser Zeit, aber auch in späteren Jahren der Kindheit sammelt sich
im Individuum in seinen interaktiven Erfahrungen das an, was in der
Pesso-Arbeit die historische Szene genannt wird. Dies sind die
subjektiven Erinnerungsbilder der unterschiedlichen interaktionellen,
emotionalen bzw. körperlichen Erfahrungen, die das Kind in seiner
Entwicklung macht und die im individuellen Gedächtnis gespeichert
werden.
Die Schlussfolgerungen aus diesen Erfahrungen definieren einerseits
unser Ich und andererseits unsere Sicht der Außenwelt. Ein Kind, das
in seiner frühen Geschichte sehr viel Ablehnung erlebt hat für seine
Äußerungen von Trauer oder Schmerz, wird als erwachsener Mensch ein
bezüglich dieser Gefühle folgendes Selbstbild in sich tragen: „Diese
Gefühle sind nicht gut, ich sollte ihnen keinen Raum geben.“ Seine
Wahrnehmung der Umwelt geht wahrscheinlich in folgende Richtung: „Für
Schmerz oder Verletzlichkeit gibt es in dieser Welt keinen Platz,
niemand ist bereit, darauf adäquat zu antworten.“ Damit hängen
folgende Erwartungshaltungen bezüglich der Interaktionen zusammen:
„Schmerz und Trauer behalte ich besser für mich... Wenn ich diese
Gefühle habe, vermeide ich Kontakt.... Wenn jemand anderer meine
Verletzlichkeit wahrnimmt, löst dies in mir eher Misstrauen aus, oder
die Angst, lächerlich gemacht, abgelehnt oder im Stich gelassen zu
werden.“
Diese Schlussfolgerungen aus den wiederkehrenden Erfahrungen der
eigenen Lebensgeschichte werden verallgemeinert zu Leitlinien und
Grundsätzen unserer Lebensgestaltung (in der Pesso-Arbeit in der
wahren Szene als „Stimmen“ dargestellt), die uns einerseits
Orientierung in der Welt geben und andererseits unser Verhalten in
einer solchen Weise steuern, dass wir die erfahrenen schmerzhaften
Interaktionen zu vermeiden versuchen.
Tragischerweise wird durch die Erfahrung nicht passender Interaktionen
das Ich in einer solchen Weise deformiert, dass es eher ein Abbild der
»Gegenform« als des wahren Selbst darstellt. Daher wird in kommenden
Interaktionen beim Gegenüber wiederum eher eine Gegen- als eine
Passform provoziert, so dass sich die Befürchtungen immer wieder zu
bestätigen scheinen und sich die Verletzungen (bis hin zum Missbrauch)
immer wieder erneuern. Denselben Effekt macht sich aber die
Pesso-Arbeit in umgekehrter und positiver Weise zunutze: Die Erfahrung
einer Passform in der heilenden oder idealen Szene validiert das
Selbst und bildet das Ich durch die Integration der positiven
Interaktionserfahrung in einer dem Selbst angemesseneren Form
heraus. Die - wenn auch zunächst nur symbolische - Befriedigung des
innersten Strebens gibt den ursprünglichen Emotionen und Bedürfnissen
wieder eine Existenzberechtigung und lässt sie aufs neue zu einem
möglichen Teil der bewussten und gelebten eigenen Person
werden. Gleichzeitig erweitert sich das Bild der Außenwelt in der
Weise, dass positive Objekte zumindest auch als eine Möglichkeit in
Frage kommen und in der Realität gesucht und erkannt werden
können. Durch beide Effekte werden befriedigende Interaktionen in den
realen gegenwärtigen Beziehungen wahrscheinlicher und bekräftigen,
wenn sie eintreten, die ursprünglich synthetisch hergestellte positive
Interaktionserfahrung der Struktur.